Wir alle kennen ihn und haben ihn in der ein oder anderen Art und Weise schon einmal erlebt: Den Anmachspruch.
Sei es, dass wir ihn selbst verwendeten, in der unsterblichen Hoffnung, von der angebeteten Person für zumindest eine Nacht erhört zu werden, oder wir diejenigen waren, an die er gerichtet wurde. Vielleicht haben wir uns auch nur immer mal wieder scherzhaft damit auseinandergesetzt und uns über ihn königlich amüsiert.
Aber etwas haben Anmachsprüche gemeinsam: Sie sind oft zweideutig, ein bisschen cringe, und teilweise sehr spezifisch.
In so ziemlich jedem Beruf oder Fachbereich gibt es irgendwelche Ausdrücke, Situationen oder Phrasen, die aus ihrem Kontext gerissen und mit der richtigen Betonung sehr anzüglich klingen.
Und natürlich kommt die Linguistik – bei der selbst die Berufsbezeichnung im englischsprachigen Raum einen Anmachspruch darstellt („I am a cunning linguist“) – an dieser Stelle keinesfalls zu kurz.
Im Gegenteil, scheint die Disziplin der Sprachwissenschaft geradezu ein Minenfeld an Ausdrücken und Fachterminologien zu haben, die nur darauf warten, in möglichst suggestivem Tonfall vorgetragen zu werden.
Also habe ich hier einmal (mit freundlicher Unterstützung einiger ehemaliger Kommiliton*innen) meine Top 10 Anmachsprüche von und für Linguist*innen zusammengetragen.
Wenn ihr also eine*n Linguist*in kennt oder kennenlernt und den nächsten Schritt in der Bekanntschaft wagen wollt – dann probiert doch einfach mal einen dieser Sprüche aus!
Ich bin mir sicher, ihr hinterlasst einen bleibenden Eindruck!
Achtung: Es wird jetzt zwar etwas fachlich, aber ich habe mir Mühe gegeben, alles so gut wie möglich zu erklären.
1. „Darf ich dir ein Komplement machen?“
Der Klassiker unter den linguistischen Anmachsprüchen und auf den ersten Blick verhältnismäßig harmlos. Ein Komplement (nicht zu verwechseln mit dem bekannteren Kompliment) ist ein Vervollständigungsmittel, das von dem Satzglied, zu dem es gehört, (z.B. das Verb) gefordert wird. Das Satzglied ist also ohne das Komplement unvollständig.
Den Rest könnt ihr euch denken.
2. „Darf ich meinen Formanten an deinen annähern, um zu sehen, ob wir Vokalharmonie erreichen?“
Vokale haben gewisse charakteristische Frequenzbereiche, die sie von anderen Vokalen unterscheiden, sogenannte Formantbereiche. Vokalharmonie ist ein sprachliches Phänomen, z.B. im Ungarischen, bei dem sich Vokale lautlich aneinander anpassen.
Ziel ist natürlich, gemeinsam auf „Aahh“ zu kommen und das möglichst lange zu halten.
3. „Möchtest du meine Argumentstelle füllen?“
Subjekt und Objekt sind sogenannte „Argumente“ des Verbs. Im Deutschen haben alle Verben mindestens ein Argument, nämlich das Subjekt (intransitive Verben, z.B. „ich schlafe“).
Verben können aber auch zwei Argumente (transitive Verben haben Subjekt und (direktes) Objekt, z.B. „ich küsse dich“) oder sogar drei Argumente haben (ditransitive Verben haben Subjekt, direktes Objekt, indirektes Objekt, z.B. „ich gebe es ihm“).
Ihr merkt schon, worauf das hinausläuft.
4. „Ich bin bivalent, wollt ihr meine beiden Leerstellen füllen?“
Wie viele sexuelle Anspielungen findet ihr wohl in diesem Spruch?
Valenz ist im Endeffekt sowas wie intransitiv, transitiv, ditransitiv, gilt aber nicht nur für Verben und wird ein wenig anders kodiert. Hier unterscheiden wir avalent (z.B. „es regnet“.), monovalent (z.B. „ich schlafe“), bivalent (z.B. „ich liebe dich“) und trivalent („ich gebe dir das Buch“).
Natürlich ist es kein Zufall, dass „bivalent“ an dieser Stelle mehr als eine Interpretationsmöglichkeit hat.
5. „Ich bin zwar belebt, aber meine Ex nannte mich immer Force.“
Belebtheit von Argumenten spielt in der Syntax und Semantik eine große Rolle. Nicht alle Verben können jedes Nomen als Argument aufnehmen und so weiter. Als Force (oder „Kraft“) wird ein Argument bezeichnet, das „eine unbelebte Kraft [ist], die ohne Mitwirkung eines bewussten, willentlichen Verursachers ein Ereignis herbeiführen kann“*.
Von welchem Ereignis hier wohl die Rede ist …?
6. „Im Passiv darfst du mein Actor sein.“
Hier handelt es sich nicht um einen Schauspieler, sondern um die handlungsausführende Person (die in einem Passivsatz nicht das Subjekt ist, z.B. „ich werde von dir geschlagen“. Hier ist das „ich“ nicht nur kinky, sondern auch die Person, der die Handlung widerfährt, also quasi das „Opfer“).
Wie viel man da jetzt sonst noch reininterpretiert, überlasse ich ganz euch.
7. „Lass uns ein Kompositum bilden, ich möchte dein Erstglied sein.“
Ich glaube, das bedarf keiner weiteren Erklärung.
8. „Lass uns agglutinieren.“
Agglutinieren bedeutet Verschmelzung oder, spezifisch in der Linguistik, die Anfügung von Bindungselementen an einen Wortstamm.
Oder anders gesagt: Hier werden zwei (oder mehr) Elemente zusammengesteckt.
Ihr wisst schon.
9. „Lass uns fusionieren.“
Muss ich, glaube ich, nicht weiter erklären …
10. „In der Beziehung bin ich wie ein Suffix. Ich trete immer von hinten an die Basis heran.“
Suffixe sind, vereinfacht ausgedrückt, angehängte Silben, die in Verbindung mit der Basis, also das, womit sie sich verbinden, ein neues Wort bzw. eine neue Wortform bilden.
Aber ich glaube, ihr konntet es euch schon denken, was damit gemeint ist …
Danke an Jacqueline, Jannis und Luke für die vielen Sprüche!
Ich hoffe, euch damit hinreichend verstört inspiriert zu haben.
In diesem Sinne, fröhliches Flirten!
*Quelle: Latrouite, Anja. 2019 „Syntaxskript 19“. HHU Düsseldorf: Düsseldorf.

Über die Autorin
Hi, ich bin Eleonore. Ich habe Linguistik studiert und liebe Sprachen. Seit 2022 biete ich Conlanging-Seminare für Autor*innen und alle Kreativen an, die selber eine eigene Sprache entwickeln wollen, und poste hier und auf Instagram Worldbuilding-Tipps, sprachliche Funfacts und vieles mehr rund um Sprachen, Kunst, und Kunstsprachen.