Der Anfang aller Magie (1)

Ohne geht es einfach nicht. Egal ob in der High Fantasy, oder in der Romantasy, irgendwo taucht sie immer wieder auf: Magie.

Völlig gleich, ob es sich dabei um echte Hexen und Zauberer handelt, die dabei vorkommen, oder es einfach nur ein kleines, übernatürliches, mystisches Element gibt, das sich unsere heutige Wissenschaft nicht erklären kann, Magie gehört einfach dazu.

Im Prinzip fungiert Magie wie eine Art Joker. Dinge, die wir passieren lassen wollen, die in unserer Geschichte auf solche und solche Art geschehen oder auftreten sollen, können wir einfach erklären, indem wir sagen: „Magie.“

Und niemand wird uns hinterfragen, wenn wir in unserer phantastischen Liebesgeschichte mit Vampiren und Werwölfen daherkommen. Niemand wird sich wundern, wenn unsere Elfen unsterblich sind, oder unsere Meermenschen ohne Kiemen unter Wasser atmen können, oder unsere Zauberlehrlinge mithilfe eines Stocks und ein paar lateinischer Wörter Dinge schweben lassen kann.

Aber hin und wieder kann es ganz hilfreich sein, sich kurze Gedanken darüber zu machen, wie genau die Magie in unserer Geschichte funktioniert – ganz besonders, wenn sie im Mittelpunkt steht, so wie z.B. bei „Bartimäus“ oder auch „Die Flüsse von London“.

Magie ist nicht gleich Magie

Magie bedeutet für jede Person etwas anderes. Es gibt kein Richtig oder Falsch, wenn es um Magie geht, in der eigenen Geschichte gelten die eigenen Gesetze.

Magie ist so vielfältig wie die Personen, die sie anwenden. Eine Art von Magie in unserer Geschichte zu haben, schließt nicht die Verwendung einer zweiten Art aus. Unterschiedliche Gruppen oder Individuen können unterschiedliche Arten von Magie nutzen.

Aber sobald wir einmal ganz grob geklärt haben, was wir eigentlich machen wollen (und das meiste entwickelt sich ja ohnehin während des Schreibens noch fünfzig Mal in dreihundert andere unterschiedliche Richtungen …), beschäftigen wir uns mit ein paar anderen Fragen, die für das Schreiben einer magiehaltigen Fantasygeschichte interessant sind und uns helfen, ein logisches System aufzubauen, mit dem wir Magie erklären können.

Wo kommt Magie her?

Es gibt verschiedene Arten, wie Magienutzende ihre Magie erhalten können. Jede dieser Arten lässt einige Fragen offen. Schauen wir uns also die vier klassischen Fälle einmal an:

Klassischer Fall A: Angeboren

„Du bist ein Zauberer, Herbert.“
„Ein was?“
„Ein Zauberer. Du kannst zaubern, so wie deine verstorbenen Eltern.“
„Meine Eltern waren auch Zauberer?“
„Ganz genau. Du hast es von ihnen geerbt.“
„Geerbt? – Wie ein … wie ein Gen?“
„Genau. Aber frag mich jetzt bitte nicht, wie genau das funktioniert. In Bio hatte ich immer eine Sechs.“

In unserem Fallbeispiel A erfährt Herbert, dass ihm das Zaubern sozusagen in die Wiege gelegt wurde. Er musste dafür nichts tun, er ist einfach so geboren worden.

Offene Fragen:

  • Wie genau funktioniert das mit der Vererbung?
  • Muss mindestens ein Elternteil magisch sein, um ein magisches Kind hervorzubringen, oder können auch nichtmagische Eltern magische Kinder bekommen?
  • Können magische Eltern auch nichtmagische Kinder bekommen?
  • Gibt es ein „Magiegen“?
  • Gab es Evolution auch in der Magie?

Klassischer Fall B: Antrainiert

„Ich könnte dir beibringen, wie man ein Zauberer wird, Herbert.“
„Sie meinen, ich kann das lernen? Ich kann lernen auch so coole Sachen zu machen wie Sie? Einfach so?“
„Ganz genau.“
„Äh, muss man nicht dafür irgendwelche … ich weiß nicht … genetische Veranlagungen haben, oder so etwas?“
„Was? Wer erzählt denn so einen Blödsinn? Nein, mit dem richtigen Training kann jeder ein vernünftiger Zauberer werden. Wie stehts mit deinem Latein?“
„Ähm … ich hatte immer eine Zwei …“
„Perfekt, dann fangen wir gleich morgen an.“

Dieses Fallbeispiel zeigt, dass Magie keinesfalls irgendetwas Mystisches ist, sondern offensichtlich eine Art Wissenschaft, die man studieren kann.

Offene Fragen:

  • Wenn es erlernbar ist und unterrichtet wird, warum erlernen es dann nicht alle?
  • Was für Auflagen gibt es, was für Gesetze, die das Erlernen von Magie möglicherweise verbieten/regulieren?
  • Ist das Erlernen von Magie in der Gesellschaft verboten? Warum?
  • Ist Magie vielleicht für die Lernenden schädlich/tödlich/unkontrollierbar?
  • Ist es nur bestimmten Personen vorbehalten/ist es ein Statussymbol und dient der Unterdrückung einer bestimmten (der nichtmagischen) Gruppe?
  • Was qualifiziert eine magielernende Person?
  • Welche Voraussetzungen muss eine magielernende Person mitbringen?

Klassischer Fall C: Angeeignet

„Jetzt bist du ein Zauberer, Herbert.“
„Wie, was – einfach so?“
„Naja, das Artefakt, das du gerade in den Händen hältst, enthält eine mächtige Kreatur, die auf deine Befehle gehorcht – solange du das Artefakt nicht verlierst.“
„Magische Krea–? Ich dachte … Zauberer könnten …?“
„Was, richtig zaubern? Ich bitte dich. Das ist doch völlig absurd. Nein, wir nutzen nur die Kräfte dieser Kreaturen, die wir mit ein wenig Geschick in diese Artefakte bannen.“
„Das ist Sklaverei!“
„Das, mein Lieber, ist, was es heißt, ein Zauberer zu sein.“

In diesem Beispiel muss unser lieber Herbert feststellen, dass die sogenannten Zauberer keinesfalls so magisch sind, wie sie immer vorgeben. Stattdessen sind sie gewöhnliche Menschen (oder andere Lebewesen), die einfach nur echt magische Geschöpfe entdeckt haben und sie ausbeuten.

Offene Fragen:

  • Woher kommen die magischen Kreaturen, deren Kräfte ausgebeutet werden?
  • Stammen sie aus unserer Welt, oder einer völlig anderen Dimension?
  • Wie wurde der Zugang zu dieser Dimension hergestellt?
  • Wie wurde die erste magische Kreatur gefangen?
  • Wie genau fängt man diese Kreaturen überhaupt?
  • Wie beschwört man sie aus der anderen Dimension herauf?

Klassischer Fall D: Angefügt

„Du bist ein Zauberer, Herbert.“
„Was?“
„Ich habe dich soeben zum Zauberer gemacht, Herbert.“
„Wie – einfach so?“
„Ich bin das Allmächtige. Ich kann nach meinem Willen schalten und walten und andere zu Zauberern machen. Wieso, hast du etwas dagegen?“
„Ich? Nö.“
„Na also. Dann bist du jetzt ein Zauberer mit allem Drum und Dran.“
„Nice! Aber hätte der lange, weiße Bart wirklich sein müssen?“

Hier erhält unser lieber Herbert seine Magie von einer höheren Instanz. Dabei muss so etwas nicht so offensichtlich verlaufen. Es kann auch sein, dass Herbert von Geburt an magisch ist, aber niemand weiß, wieso, warum, weswegen. Erst ganz am Ende der Geschichte erfährt Herbert vielleicht, wieso er magische Fähigkeiten und wer sie ihm verliehen hat.

Offene Fragen:

  • Wer ist diese höhere Instanz?
  • Warum hat diese höhere Instanz diese Allmacht und warum kann sie anderen magische Fähigkeiten verleihen? Was motiviert diese Instanz?
  • Gibt es noch andere Personen, die ebenfalls magische Fähigkeiten auf diese Art erhalten haben?
  • Sind es immer dieselben Fähigkeiten?

Welche Art von Magieerwerb wir jedoch schlussendlich nehmen, hängt vollkommen von der Geschichte ab, die wir schreiben. Aber wir können natürlich auch alle vier Arten zusammenwürfeln. Das eine schließt das andere nicht aus, und wer weiß – vielleicht können wir so sogar ganz interessante Konflikte innerhalb unserer Geschichte erzeugen?

Über die Autorin

Hi, ich bin Eleonore. Ich habe Linguistik studiert und liebe Sprachen. Seit 2022 biete ich Conlanging-Seminare für Autor*innen und alle Kreativen an, die selber eine eigene Sprache entwickeln wollen, und poste hier und auf Instagram Worldbuilding-Tipps, sprachliche Funfacts und vieles mehr rund um Sprachen, Kunst, und Kunstsprachen.