Fun Facts Deutsch: Ost vs. West (feat. Everything is literary)

Als eingefleischte Westdeutsche, die zwar viel in der Weltgeschichte herumgereist ist, dafür aber bis zu ihrem 19. Lebensjahr kaum über den heimatlich münsteranerischen Tellerrand in andere Bereiche Deutschlands hinausgeblickt hat, war der Kulturschock groß, als es mich zum ersten Mal für länger als einen Kurzurlaub jenseits der westdeutschen Grenzen verschlug – und zwar nach Sachsen.

Ausgerechnet nach Sachsen.

Im ersten Semester meines Bachelorstudiums in Leipzig saß ich bei einer Kommilitonin, ihrer Mitbewohnerin und einigen Freunden (allesamt Erzgebirger*innen) in ihrer Küche und unterhielten uns über Haushalt, woraufhin ich meinte: „Ich muss heute noch spülen“.

Fünf Augenpaare fixierten mich mit einem Blick, der nicht nur völliges Unverständnis zeigte, sondern auch ganz klar ausdrückte, dass sie an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifelten.

Meine Kommilitonin hakte also nach: „Spülen?“, fragte sie in diesem besorgten Tonfall, in den man verfällt, wenn man dem Gesprächspartner lieber noch eine Chance geben möchte, eine peinliche Aussage zu verbessern.

„Äh, ja“, erwiderte ich, vollkommen ahnungslos. In einem seltenen Anfall von Intelligenz setzte ich noch hinzu: „Also, mein Geschirr.“

Ein Aufatmen ging durch die Runde. „Ach, du meinst, den Abwasch machen!“

Ich runzelte die Stirn. „Ja, natürlich. Was denn sonst?“

Meine Kommilitonin verbiss sich das Grinsen. „Bei uns heißt ‚spülen‘ die Klospülung betätigen.“

„Oh“, sagte ich und verstand plötzlich die irritierten Gesichtsausdrücke. Schließlich hatte ich mich in ihrer Sprache gerade als jemand geoutet, die gerade mal einmal die Woche die Klospülung betätigt.

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Kommunikation ist ohnehin schon schwer genug, aber wie soll das in irgendeiner Form gutgehen, wenn man sich nicht einmal darin einig ist, wie man die Zeit ansagt?

Wie verschieden der Osten vom Westen dann tatsächlich ist, zeigt sich auch immer wieder gerne in den Gesprächen zwischen meiner besten Freundin Marie von „Everything is literary“, eine gebürtige „Ossi“, und mir.

~*~

Es ist ein gemütlicher Mittwochnachmittag und Marie und ich sind nach der Uni zu mir gefahren, um bei mir gemeinsam zu essen.

„… und als ich das dann hörte, dachte ich mir nur so, ‚Na, jetzt ist Polen offen‘“, beschwert sie sich über ein Seminar, das ganz offensichtlich keinen guten Eindruck bei ihr hinterlassen hat. Frustriert beißt sie in ihren schon fast ganz heruntergenagten Apfel.

Ich schließe die Wohnungstür auf, was mit dem Einkauf für das Essen in der Hand nicht ganz so einfach gelingt. „Das klingt echt mies“, sage ich und lasse sie eintreten. Wir entledigen uns unserer schweren Taschen und Schuhe und ich schleppe den Einkauf in die Küche. Sie folgt mir.

„Du hast ja keine Ahnung“, sagt sie und sieht sich um. „Wo kann ich meinen Griebsch wegwerfen?“, fragt sie.

„Ach, die Kitsche kannst du mir geben“, sag ich und ziehe meinen kleinen Biomülleimer hervor.

„Danke“, sagt sie und verschwindet im Badezimmer, um sich die Hände zu waschen.

„Da ist ein Kanker in deinem Bad“, sagt sie, als sie zurückkommt.

„Ja, das ist Thekla, mein ganz persönlicher Hausweberknecht“, grinse ich.

Während wir zusammen Essen kochen (das heißt, ich koche und sie steht daneben und unterhält mich), fällt das Gesprächsthema auf Freizeit.

„Ich hab gesehen, dass in der Stadt aktuell Send ist“, sag ich. „Kann das?“

„Ja, mein Freund und ich wollten nächstes Wochenende ein bisschen über den Rummel gehen. Da gibt’s dann ein Feuerwerk.“

Ich finde, das klingt nach einem schönen Plan fürs Wochenende, und das teile ich ihr auch mit.

„Dauert das noch lange?“, fragt sie dann. „Ich hab Knast. Ich könnte zwei ganze Goldbroiler verdrücken.“

„Nur noch ein paar Minuten“, vertröste ich sie.

Später, nach unserem gemeinsamen Essen, beschließen wir spontan ins Kino zu gehen. Das Kino ist bei ihr in der Gegend, weshalb wir noch einen kurzen Zwischenstopp bei ihr machen, damit sie noch ihre Tasche ablegen kann.

Der Film ist gut und popcorn- beziehungsweise in ihrem Fall nachogesättigt kommen wir schließlich zwei Stunden später aus dem Kinogebäude raus.

„Ih, es fisselt“, sage ich und halte meine Hand in den Regen. „Sollen wir warten, oder gehen wir trotzdem los?“, frage ich.

„Wir gehen trotzdem. Das bisschen Regen hat noch niemanden umgebracht“, beschließt sie, und ich stimme ihr zu.

Auf unserem Weg zur Straßenbahn wird der Regen immer stärker. Gerade so schaffen wir es noch, uns ins Wartehäuschen zu retten, bevor es uns richtig erwischt.

„Hätte es nicht dann pladdern können, während wir im Kino waren?“, murre ich und bin dankbar, eine Jacke mitgenommen zu haben. Die Bahn kommt glücklicherweise pünktlich, und kaum haben sich die Türen hinter uns geschlossen, hört der Regen auch schon wieder auf.

Marie seufzt erleichtert. „Gott sei Dank, nur eine Husche“, sagt sie. „Und, guck mal, Klärchen kommt auch schon wieder raus.“

Sie deutet auf die Sonne, die sich langsam, aber sicher hinter den schweren Regenwolken hervorschiebt.

„Ach, schön“, sage ich. „Dann kann ich mich ja gleich ganz entspannt zu Fuß auf den Heimweg machen.“

„Ist das nicht zu weit?“, fragt sie. „Sonst kannst du gerne bei mir übernachten.“

„Ne, danke“, erwidere ich, „ich fahr morgen heim und ich muss noch spülen.“


Und wenn ihr jetzt ein wenig ratlos seid, worüber hier eigentlich gesprochen wurde, haben wir eine Liste an Vokabeln und Idiomen anzulegen, die für uns „typisch Ossi“ oder „typisch Wessi“ sind* und in der ihr auch die im oberen Text unterstrichenen Wörter wiederfindet. 

WestOst
PfannkuchenEierkuchen, Plinse
BerlinerPfannkuchen
Viertel vor (8:45 Uhr – „Viertel vor neun.“)Dreiviertel (8:45 Uhr – „Dreiviertel neun.“)
Viertel nach (8:15 Uhr – „Viertel nach acht.“)Viertel (8:15 Uhr – „Viertel neun.“)
Kerngehäuse, KitscheGriebsch
OHP (Overheadprojektor)Polylux
Regenschauer, WolkenbruchHusche, Regenhusche
MarienkäferMutzekiepchen
KrusteKanten
FisselnNieseln
Pladdern, stark regnenJoschen (veraltet)
Ich habe HungerIch habe Knast
Grantig sein, knödelig sein („Er war heute mal wieder total knödelig.“)Dikschen („Du bist schon wieder nur am dikschen.“)
Sonne kommt raus.Klärchen kommt raus.
SpülenAbwasch/Aufwasch
Abziehen, Klospülung betätigenSpülen
Gebratenes HähnchenGoldbroiler
StulleBemme
MetzgerFleischer
PlastikPlaste
Heftstreifen/AbhefterAktendulli
Tante-Emma-LadenKonsum
Kirmes, Send (Münster)Rummel
StrohhalmTrinkröhrchen
MettGehacktes
PannasTote Oma
Leeze (Münster)Drahtesel, Fahrrad
Drömmeln („Der Verkehr war furchtbar. Es drömmelt nur vor sich hin.“)Sich in die Länge ziehen, zähflüssig sein. („Der Verkehr war furchtbar zähflüssig. Es zog sich alles so ewig in die Länge.“)
Beeil dich!Zieh‘n Finger!
Nu‘ mal hinne!Keks dich aus!
Jetzt schlägts 13!Dann ist Polen offen!
PlääteGlatzkopf
PrüddelKrimskrams
WeberknechtKanker, Ganker, Spinnekanker
Niggeln (Warstein) („Das war ja klar. Da passiert ein Unfall und statt dass irgendjemand Hilfe holt, müssen sie alle wieder niggeln.“)Gucken („Beim Unfall haben sie alle nur geguckt, aber niemand hat daran gedacht, mal den Notarzt zu rufen.“)
Federmäppchen, SchlamperFaulenzer

*Marie wuchs in Thale und Halberstadt auf, ich bin gebürtige Münsteranerin. Nicht alle Begriffe, die sich hier wiederfinden, sind in allen ost- bzw. westdeutschen Städten auch tatsächlich in Verwendung. Teilweise handelt es sich auch um rein regionale Wörter.